Transformation durch Übermalung: Meine Serie „Mäandernd“
Seit zwei Jahren basieren meine Bilder auf Übermalungen alter Werke oder halbfertiger Arbeiten. Diese Serie habe ich „Mäandernd“ genannt, da in dieser Werkreihe die sich ihren Weg suchende Linie eine besondere Rolle spielt. Durch das intuitive, fast meditative Aufbringen von labyrinthartigen Strukturen formen sich scheinbar zufällig Figuren und Formen. Neue Assoziationen entstehen, mit denen das Innerste in Resonanz geht und zu intuitiven Bildentscheidungen führt. Doch warum starte ich mit einer Übermalung? Ich könnte doch den ersten Pinselstrich auch auf eine frische Leinwand setzen.
Praktische Gründe und künstlerische Entwicklung
Zum einen hat mein Vorgehen einen praktischen Grund: Im Atelier und Zuhause stapeln sich die Leinwände, und nicht an jedem Werk hängt Jahre nach der Entstehung noch mein Herz. Ich habe mich weiterentwickelt, sowohl in meinem malerischen Stil als auch in meinen handwerklichen Fähigkeiten und thematischen Schwerpunkten.
Mein Mann kann es oft nicht fassen, dass ich durchaus gelungene Bilder aufgebe. Schließlich ist es keine Frage des Budgets, und bei genauerer Betrachtung gibt es auch noch genügend Platz für die Lagerung. Warum mache ich das also wirklich?
Der wahre Grund: Loslassen und Neues schaffen
Für mich ist der Prozess der Übermalung ein bewusster Abschluss mit früheren Phasen. Ich lasse Altes los und es entsteht Raum für Neues. Durch die oben beschriebene Technik wird das ursprüngliche Bild in den Prozess mit einbezogen. Das originäre Motiv verschwindet nur langsam, nach und nach. In der Regel bleibt etwas vom Original erhalten: das Kolorit, eine durchblitzende Farbschicht oder eine Inspiration für den Bildtitel. Ein Vogel, unter dem ein Königspaar liegt, wird zum Königsvogel, und ein Bild, das ein Selbstporträt überlagert, erhält auch eine eigene Note.
Was bleibt vom Original?
Doch der Betrachter oder die Betrachterin weiß in der Regel von all dem nichts. Für sie spielt es keine Rolle, welches Motiv überlagert wurde. Entscheidend ist allein die Wirkung des finalen Bildes.
Diese Arbeitsweise hinterlässt sichtbare Spuren. Durch die vielen Farbschichten entstehen Unebenheiten und Farbnasen. Ein Makel? Ich finde nicht. Die Oberfläche des Bildes erzählt eine eigene Geschichte, ähnlich den Narben und Falten eines Menschen.
Vom Eisbären zum Vogel-Trio: Ein Beispiel
Diese Fotoserie veranschaulicht den Prozess:
Ein anderes Beispiel: Der Flamingo
Zuweilen übermale ich ein Werk auch mehrfach. Ein Beispiel hierfür ist das Bild „Flamingo“:
Transformation I
Das Bild „Gossip“ entstand im gleichen Sommer wie der Eisbär. Zu dieser Zeit habe ich überwiegend figürlich gemalt und es war der Versuch, abstrakt zu malen. Mich hat das Spannungsfeld zwischen den beiden Figuren und der Leerfläche gereizt.
Im Sommer 2022 entstand die erste Übermalung. Diesmal habe ich zunächst großzügige weiße Flecken platziert, auf die ich leuchtendes Gelb aufgebracht habe. Erst dann habe ich die linearen Strukturen hinzugefügt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich dieses Bild oft auf dem Balkon sitzend in der Abendsonne bearbeitet habe und die Farben der untergehenden Sonne ins Bild geflossen sind.
Auch wenn ich die Version aus dem Jahr 2022 bereits ausgestellt hatte, war ich doch nie wirklich zufrieden mit der Komposition. 2024 war ich bereit, mir das Bild nochmal vorzunehmen.
Transformation II
Ich habe den Prozess in vier kurzen Videosequenzen dokumentiert. Wenn ich so recht drüber nachdenke, dann handelt es sich bei der zweiten Transformation im Grunde um eine klassische Weiterentwicklung des Bildes – auch wenn viel übermalt wird.
Welche Fassung gefällt dir am besten?
Fazit
Für mich ist es nicht nur ein kreativer Prozess, sondern auch eine Reise in meine eigene künstlerische Entwicklung. Die Übermalungen sind eine Möglichkeit, alte Werke in einem neuen Licht erscheinen zu lassen und gleichzeitig meinen eigenen Fortschritt zu reflektieren. Doch allmählich gehen die Altwerke, die sich für eine Übermalung anbieten, zur Neige. Dann heißt es, neue Wege zu gehen.